Freitag, 10. November 2017

Rezension: G. R. Gemin * Café Morelli


Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Verlag: Königskinder
ISBN-13:
978-3551560438
Preis: 16,99 EUR
E-Book: 11,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: September 2017
Übersetzer: Gabriele Haefs




Inhalt:
Joe geht nach der Schule wie immer mit seinem besten Freund ins Chicken Box, um sich dort ihr geliebtes Fast Food zu holen. Aber Joe muss es heimlich naschen, denn seine Mutter hat ein Verbot dafür ausgesprochen. Es ist nur schwer, so was geheim zu halten, da das Familiencafé quer über der Straße liegt. Joe liebt das Café, genau wie sein Großvater abgöttisch und möchte es später übernehmen. Nur das es nicht mehr so läuft, wie früher und seine Mutter darüber nachdenkt, es zu verkaufen und dann trifft sein Großvater der Schlag. Nun hängt alles an Joe, das Café zu retten, seine Mutter zu überzeugen und alte Erinnerungen mit neuem Licht erstrahlen zu lassen. Was er dazu benötigt, ein bisschen Hilfe und am besten von seiner italienischen Cousine Mimi, die allen den Kopf verdreht und Herrlichkeiten in der Küche zaubert. Was wird Joe sich alles einfallen lassen? Welche Zutaten benötigt man für das perfekte Essen? Und kann dieses Café ein Wunder bewirken?

Meinung:
Ich habe Giancarlo Gemin‘s Debüt „Milchmädchen“ heiß und innig geliebt. Diese beiden ungleichen Mädchen, die trotzdem Freundschaft schließen und ein soziales Brandgebiet in eine zusammenwachsende Gemeinschaft verwandeln konnten, hatte mich damals total eingenommen und begeistert zurück gelassen. Danach wollte ich unbedingt eine Kuh im Garten. Ihr seht, meine Ansprüche an sein zweites Buch sind groß, und ob ich nun ein Café eröffnen möchte, erzähle ich euch jetzt.

Joe ist ein vierzehnjähriger Junge, der etwas übergewichtig ist, in Wales lebt und italienische Wurzeln hat. Mit seinem Großvater bildet er ein richtiges Team und sie lieben es, zusammen das Abendessen zu kochen. Für beide ist es ein Spaß, Gäste zu bewirten und Leute mit einem Lächeln zu begegnen. Aber die Geschäfte gehen schlecht, die Hauptstraße stirbt aus und die Cafébesucher bleiben fern. Für Joes Mutter nur noch eine Bestätigung, für ihr Vorhaben, zu verkaufen. Aber Joe währt sich und je mehr er von der Geschichte seines Großvaters hört, umso mehr klammert er sich an den Gedanken, später selbst das Café zu führen.

Giancarlo Gemin hat sich hier einigen Themen gewidmet, wie, die Schnelllebigkeit des Internets, die Geschäfte sterben aus und die Konsumenten bleiben zu Hause. Das passiert ja nicht nur in Großstädten, sondern auch in Kleinen und hier trifft es, die Gemeinschaft umso härter. Aber er nimmt sich auch der Geschichte an, indem er den Großvater vom Einwandern erzählen lässt, oder auch vom Krieg, was das Café ausmacht und welchen Stellenwert es in der Familie hat. Hier hängen nicht nur viele Erinnerungen daran, sondern auch Gemeinschaftsgeist und Überlebenswille. Aber wie mit der Zeit gehen? Wie das Café wieder attraktiv machen? Und wie die Kunden wieder dafür begeistern? Und da hat Joe extrem viele Ideen und einen Großvater, der mit seinem Trix auch was beisteuert.

Der Autor beschreibt in seinen kurzen Kapiteln, sehr schnell und zügig von dem Cafè, dem Ort und den Leuten aus Bryn Mawr. Bringt die Geschichte schnell in Fahrt und steigert die Neugier. Dabei lässt er schnell spüren, dass Joes Mutter mit ihrem Latein am Ende ist und sie es einfach nur leid ist, für zwei Leute das Café aufzumachen. Diese Leidenschaftslosigkeit macht natürlich das Arrangement von Joe umso deutlicher, er lässt sich eine Idee nach der anderen einfallen und bringt Leute ins Café. Im wahren Leben vielleicht etwas weit hergeholt, aber überaus entzückend zu lesen. Dabei erfährt er immer mehr von seiner Geschichte und je mehr er hört, umso mehr lernt er, über die Leute und das Leben. Tja, und auch über das Essen und die ersten aufkeimenden Gefühle. So ist die Geschichte ein rundum buntes Potpourri aus Träumen, Wünsche, Liebe, Musik und gutem Essen.

Natürlich ziehe ich als Leser Vergleiche und ich muss gestehen, dass ich sein Erstling stärker fand. Klar sind es grundverschiedene Geschichten, aber er packte mit seinem Debüt einfach einen anderen Zeitnerv. Er führt zwar auch hier eine Gemeinschaft zusammen und zeigt, wie wichtig es ist, daran zu glauben, was man tun muss um nicht aufzugeben, aber es wirkte sich mehr in der Familie aus. Einige Café Ideen fand ich auch recht undurchführbar, aber ein bisschen Freiheit beim Schreiben sei jeden gegönnt. Auch Joe war mir nicht ganz so nah, obwohl er Pasta und Opern liebt und ich diese Leidenschaft teilen kann. Für mich ein bisschen zu viel von allem vielleicht, Geschichte, Einwanderer Probleme, Schuldfragen, Aussterben der Gastronomie und auch Fast Food ist ein Thema.

Giancarlo Gemin kocht hier ein Gericht mit ganz vielen Zutaten, ein paar weniger währen vielleicht besser gewesen, zumindest für meinen Geschmack. Ansonsten wieder sehr humorvoll, einfallsreich und entzückend. Eine Geschichte über Mut und den Willen, nie aufzugeben, wenn es um gutes Essen geht.

Henry und ich hatten wieder ganz vergnügliche Lesestunden und vergeben vier Bücherpunkte:
 
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Über den Autor:
 


Giancarlo R. Gemin wurde als Sohn italienischer Eltern in Cardiff in Wales geboren. "Milchmädchen" ist sein erstes Buch und hat schon zahlreiche Preise bekommen. Wenn er nicht schreibt, hört G.R. Gemin gern Musik, von Jimmy Smith bis Giuseppe Verdi. Der Autor lebt in London.



Vielen lieben Dank an den Königskinder Verlag für das  Rezensionsexemplar.

2 Kommentare:

  1. Bore da, Inga.
    Der Herbst ist geschäftig, das "Alter" fordert seinen Schlummertribut & so komme ich erst jetzt wieder zu einem hiesigen Besuch...

    Ein Roman, der in leichter Feder unterschiedliche Problemfelder verwebt, ohne Belanglosigkeiten zu knabbern oder bleierne Schwere zu verteilen. Angenehm & auf seine Weise very british(*).

    Ich vermute jetzt, dass eben besagte "Chicken Box" für eine Fastfood-Kette zu stehen kommt, also dem Bestreben von Franchise-Gebern, die Welt mit faden Tunken zu überziehen. Der Goliath, dem lokalen Hirtenjungen gegenüber.

    Ein Aspekt des Buches scheint mir, dass es absolut wenig mit "Fortschritt" zu tun hat, gewachsene Strukturen zu zerschlagen, um sie durch fadenscheinige Kopien (gewinnbringend - für Dritte!) zu ersetzen. Tatsächlich ist die Wiedereinführung der Leibeigenschaft nicht fortschrittlich zu nennen.

    Ich denke, ein Roman dem die Gemeinsamkeiten von Menschen wichtig sind. Dass der Autor so viele davon verwoben hat, liegt wohl am Leben selbst; manchmal drängen die Gedanken dazu einfach hinaus, in eine einzige Geschichte.

    Hast Du Kenneth Brannagh's Version von "Orient Express" bereits goutiert!? :-)
    Ende November läuft endlich 'The Big Sick' an. :-D

    bonté


    (*)trotz Brexit, jetzt

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    1. Grüß Gott Robert,

      ganz ehrlich, ich wollte dich heute schon anschreiben, deine Abwesenheit ist aufgefallen und ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Aber du bist natürlich entschuldigt ;-)

      Ich mag den Autor gern und er schreibt einfach toll, auch wenn es hier ein bisschen viel war im Mix.

      Chicken Box heißt übrigens das Essen und es ist keine Kette ...lach... Sondern die Pommesbude :D

      Puhhhhhh... Fortschritt, nicht im eigentlichen Sinne, aber erwachte Leidenschaft und neue Ideen zu modernen Zeiten. Ist doch auch ein Anfang, oder?

      NEIN!!! Aber ich muss unbedingt ins Kino: KENNETH BRANNAGH!!!! Allerdings sind wir gerade sehr ausgebucht, ich hoffe bald. Sehr bald. "The Big Sick"???? Muss ich mir direkt mal anschauen...

      Hab einen schönen Sonntagabend
      Inga

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