Freitag, 17. Februar 2017

Rezension: Scott Bergstrom * Cruelty: Ab jetzt kämpfst du allein


Broschiert: 432 Seiten 
Verlag: Rowohlt
ISBN-13: 
978-3499272660
Preis: 14,99 EUR
E-Book: 12,99 EUR
Reihe: 1. Teil
Erscheinungsdatum: Februar 2017

Übersetzer: Christiane Steen


Leseprobe? Kaufen?



Inhalt:
Gwen ist ein Diplomatenkind und schon ziemlich viel in der Welt herumgekommen, nun hat es sie und ihren Dad nach New York verschlagen. Wie so oft muss sich Gwen mit einer neuen Umgebung und Klasse herumschlagen und in so einer Privatschule merkt man doch schnell, zu welcher Gesellschaftssicht man abgestempelt wird. Aber daran will sich Gwen an diesem Tag nicht stören, denn heute hat ihr Vater Geburtstag und diesen feiern sie immer zusammen. Zwischen Essen und Geschenk auspacken eröffnet dieser seiner Tochter, dass er am nächsten Tag geschäftlich nach Paris reisen muss. Da dies immer wieder vorkommt, denkt sich Gwen nichts dabei, bis auf einmal abends zwei Unbekannte vor ihrer Tür stehen und sie bitten mit zur CIA Zentrale zu kommen. Hier erfährt sie, dass ihr Vater gar kein Diplomat ist, sondern CIA-Agent und bei einem Einsatz spurlos verschwunden ist. Nun suchen sie nach Anhaltspunkten und hoffen, dass Gwen irgendetwas weiß. Aber Gwen steht unter Schock, ihr ganzes Leben steht Kopf, und als dann die CIA ihre Ermittlungen einstellen will, weiß sie, dass sie handeln muss, denn eine Spur hat sie, Paris. Was ist mit ihrem Vater passiert? Wurde er gefangen oder lebt er schon nicht mehr? Wie weit ist Gwen bereit zu gehen, um ihren Dad zu finden?

Meinung:
Als ich diesen Klappentext gelesen hatte, war ich sofort im Kinomodus und hatte schon die wildesten Bilder im Kopf. Es klingt doch einfach spannend, aufregend und von geballter Action. Immerhin wird aus einem ganz normalen Mädchen, ein Racheengel, und das verspricht doch gute Unterhaltung und macht doch neugierig, wie der Autor diese Entwicklung darstellt.

Wir lernen Gwen in ihrer Schule kennen, wie sie sich als Außenseiterin und Fremdling in die Klassenstruktur einleben muss, wie sie bei ihren Mitschülern ankommt und mit welchen Stänkereien sie kämpfen muss. Als Kind eines Diplomaten muss man sich ständig anpassen und damit leben, in der Welt zu Hause zu sein. Gwen hat da gerade die Nase voll von, sie hätte gern ein richtiges Heim, mit einer Mutter, die nicht schon seit 10 Jahren tot ist und Freunden in der Nachbarschaft, eben ein ganz normales einfaches Leben. So hat sie zwar schon viel gesehen und erlebt, an den verschiedensten Orten gewohnt und beherrscht eine Menge Fremdsprachen, ist aber auch sehr allein. Genau in dieser Situation, erfährt Gwen, dass ihr Leben eine Lüge ist, das ihr Vater, der noch nicht mal ihr leiblicher ist, sie angelogen hat und gar kein Diplomat ist. Alle seine Reisen und Umzüge bekommen jetzt einen anderen Blickwinkel und Gwen fühlt sich verloren und verraten. Außerdem ist sie mit der ganzen Situation überfordert, Durchsuchungsbefehle, Verhöre, eine Tante, mit der sie nie Kontakt hatte und die quälende Unwissenheit über den Verbleib ihres Vaters. Immer mehr reift eine Unruhe in ihr heran, und als dann die CIA ihre Ermittlung offiziell einstellt, muss sie sich für einen Weg entscheiden, Mädchen bleiben, oder zum Täter werden.

Am Anfang hatte ich beim Lesen das Gefühl, eine Highschool Geschichte zu lesen, junges Mädchen, eine Außenseiterin und dann lernt sie einen Jungen kennen, erste zarte Gefühle, ein fast Kuss und ich dachte, wie will der Autor da den Spagat zur Killerin schaffen, wie soll das glaubwürdig verpackt und rüber gebracht werden. Die Antwort, mit viel Zeit und die gönnt er seiner Protagonistin auch. Bis jetzt ist Gwen ein ruhiges Mädchen, die mit dem Alleinsein klarkommt und sich ihrer Umgebung anpassen kann, dass waren bis jetzt ihre größten Schwerpunkte in ihrem Leben und nun soll sich alles ändern. Wie der Zufall es so will, hat ihr Vater was hinterlassen und Gwen stößt darauf und ihre Neugier ist geweckt und so folgt sie den Anhaltspunkten nach Paris.

Der Autor macht das mit ihrer Entwicklung eigentlich ganz geschickt und spiegelt ihre Fortschritte durch ihre bereisten Städte wieder, denen er einen ganzen Abschnitt im Buch, jeweils widmet, New York mit der Erweckung, Paris, die Ausbildung, Berlin, die ersten eigenen Schritte und Prag bildet, das Schlusslicht. Ganz langsam muss sich Gwen von ihrer Unschuld lösen und Grenzen überschreiten, die sie nie wieder gut machen kann. Diese Bedenken und der innerliche Kampf ist gut dargestellt, aber trotzdem hat man bei einigen Stellen das Gefühl, das geht viel zu glatt. Wenn Gwen schon so brav rüber kommen muss, dann sollte mehr schief gehen, denn so war es mir einfach zu gewollt und passend. Was sie allerdings mitbringt und ihr das eine oder andere Mal zugutekommt, sind ihre Fremdsprachenfähigkeiten und ihr Turntraining, so nimmt man ihr vieles eher ab. Aber ich muss schon sagen, ich bin mir nicht sicher, was ich erwartet hatte, in meinem Kopf wurde sie viel schneller zur Assassinen, ich hätte gedacht, dass sie vielleicht schon länger in irgendwas drin steckt und sie somit schneller und gezielter handelt und nicht eine Jungfrau, die nun ihren Mann stehen muss. Außerdem fand ich, dafür, dass sie sich so lange vieles nicht getraut hat, dann solch ein Ende ein bisschen überzogen.

Allerdings was mich total überzeugt hatte, waren die Beschreibungen vom Autor über die vier Städte, unglaublich greifbar, realistisch und mit absolutem Blick auf die Feinheiten, hat er sie wunderbar gezeichnet. Man hatte beim Lesen das Gefühl, alles Selbst zu sehen, zu riechen und die Luft zu schmecken, und ich rede nicht unbedingt von den schönen Seiten dieser Städte, das hat er verdammt gut hinbekommen.

So bin ich bei dieser Geschichte wirklich im Zwiespalt, zwischen wunderbaren Beschreibungen und einer Story, die für mich nicht ganz rund war. Gut zu lesen, aber der Spannungsbogen war einfach zu weit auseinander gezerrt und Gwens Geschichte ist noch nicht wirklich zu Ende.  Vielleicht waren aber auch meine Vorstellungen und Erwartungen einfach zu verschiedenen. Wer sich aber gerne Zeit lässt und mehr Wert auf eine Entwicklung legt, als auf Affekte und Action ist mit Cruelty bestens versorgt. 

Henry und ich hatten wohl andere Vorstellungen vom Inhalt, dafür gibt es dann drei Bücherpunkte:
 
__________________________________________________________________________
  
Über den Autor:
 


Scott Bergstrom arbeitete jahrelang als Texter und Creative Director in einer der größten und renommiertesten Werbeagenturen in Manhattan und entwickelte Print-, Fernseh- und Onlinekampagnen für namhafte Firmen wie Ford, Boeing, Chase sowie für das Auswärtige Amt der USA. Bergstroms Essays und Artikel über Architektur und urbanes Leben wurden in den USA und Europa breit publiziert. Sein Interesse gilt besonders den vernachlässigten Gegenden beliebter Touristenmetropolen – die er in «Cruelty» düster und anschaulich beschreibt.


Vielen lieben Dank an den Rowohlt Verlag für das  Rezensionsexemplar.

4 Kommentare:

  1. Hoi, Inga.
    Süffisant könnte man/frau hier einwenden, daß sich anhaltende Werbetexterei auch auf die Herangehensweise eines Romans auswirken mag. Werbung baut die Botschaft ja um ein Endprodukt auf, während jede (gute) Story sich aus einer Entwicklung heraus aufzubauen beginnt.
    Seit Virginia Woolf zumindest. ;-)

    So scheint Scott Bergstrom eben den Werdegang seiner Figur(en) nach dem Stand der Handlung zu biegen - anstatt umgekehrt Charakterzeichnung nachvollziehbar zu erschreiben.
    Dies zumal der Wandel ja nicht einen Töpferkurs zum Hintergrund hat.

    Möglich, daß dem Autor die Sachlichkeit von Artikeln & Reiseberichte näher liegen.

    Darf ich noch anmerken, daß sich Schnurrekater Dexter sehr charaktervoll entwickelt hat...

    Spring is coming! :-)

    bonté

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ahoi Robert,

      ich kann es gar nicht wirklich in Worte fassen, was genau mich gestört hat. Aber es hat mir zu lange gedauert und dann waren einige Handlungen nicht wirklich nachvollziehbar ... Aber vielleicht ist alles eben auf mehrere Bände gedacht.

      Also seine Stadtbeschreibungen waren der absolute Hammer, realistisch, bildlich und man war einfach dort. Das kann er ziemelich gut ...

      Dexter ist schon ein süßer Brocken geworden und wird immer mehr zum Rübel, diese Teenager ...seufz...

      Momentan ist hier eher Regen, Regen, Regen ...

      Liebe Grüße
      Inga

      Löschen
  2. hallo liebe Sharon,

    da schaue ich doch ausnahmsweise doch mal in eine Rezension, bevor ich das Buch gelesen habe - aber auch nur, weil ich mich gerade nicht zwischen "Cruelty" und einem anderen (Rezi-)Buch entscheiden kann, welches ich als nächstes lesen will. Habe Deine Rezi jetzt auch nicht gelesen, sondern nur die Endbewertung - und bin nachwievor unsicher, weil der Klappentext so, so, sooo gut klingt.

    Also, was mach ich jetzt? ^^ Hilfe!

    Liebe Grüße aus Hamburg und noch einen schönen verspäteten Wochenstart,
    Jess

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo liebe Jess,

      ich kann dir die Entscheidung leider nicht abnehmen und du weißt, es ist alles Geschmackssache und vielleicht solltest du einfach mal reinlesen.
      Ich fand seine Beschreibungen wirklich ganz toll und gerade wenn es um die Städte geht, ist der Autor ein ganz großer, für mich war die Entwicklung von Gwen nicht ganz rund und ich glaube, das hätte zum Klappentext besser passen müssen. Ich hatte nämlich auch eine skrupellose Kämpferin erwartet. Das ist, glaube ich, der Knackpunkt an der Geschichte.

      Nun wünsche ich dir trotzdem Spaß, egal für welches Buch du dich entscheidest und schicke ganz liebe Grüße
      Sharon

      Löschen

Mit dem Absenden deines Kommentars bstätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datentschutzerklärung von Google gelesen und akzeptiert hast.